Bad Muskau. Garten- und Landschaftskunst. Welterbe. Romantisch. Überraschend. Fürst von Pückler-Muskau hat in sorbischer Landschaft im Osten Sachsens ein besonderes Kleinod geschaffen. Während im Innern des Neuen Schlosses »Die zarte Leichtigkeit der Farben – Wiederentdeckte Muskauer Aquarelle des Landschaftsmalers Carl Graeb 1816–1884« den Park von seiner farbigen Seite zeigen, habe ich mir meine Squeezerlens gegriffen, den Unschärfen dieses am Gummibalg angebrachten Objektivs gefrönt und die kleine, feine Welt des Fürsten mir in Schwarz-Weiß angeschaut.
Pictorialismus ist eine fantasievolle Weise, den Schärfen, Kontraststeigerungen und Filterspielen zu begegnen, die immer mehr zu unseren Sehgewohnheiten werden.
Der Pictorialismus wollte um die Wende zum 20. Jahrhundert die Fotografie von ihrem Geburtsfehler, der objektiven und mechanischen Genauigkeit, befreien. Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte die Fotografie ihren Siegeszug angetreten. Um 1900 stürzte sie in eine Krise: Sie kämpfte als Kunstform mit der Malerei, die Cinomatografie eroberte die Leinwände, die Fotopapiere gaben das Foto immer besser dokumentarisch wieder, die Objektive wurden immer besser, bildeten das Fotografierte immer präziser und »schärfer“, also kontrastreicher ab, die Fotoapparate werden immer kleiner, für jeden handhabbarer. Der Fotografie, die sich am Naturalismus in der Malerei orientierte, am Impressionismus und am Symbolismus, machte gerade dies schwerer, sich als künstlerisches Ausdrucksmittel, vollwertig zur Malerei, zu etablieren. Ähnlich der heutigen, alle Lebens- und technischen Bereiche durchziehenden Digitalisierung stellte der technische Fortschritt damals die Fotografen vor neue Herausforderungen. Das Fotografieren, bislang Kunst und Handwerk, wurde für immer mehr Menschen dank der Technik möglich oder besser gesagt technisch machbar.
Die Pictorialisten lehnten diese technische Entwicklung ab. Sie sahen sich als Maler mit Licht, als Künstler. Dokumentarische Abbildungen widersprachen den Idealen der Pictorialisten. Ihre Arbeiten sollten »nichtfotografisch« erscheinen.
ARTE.TV hat die wesentlichen Entwicklungen des Pictorialismus in einer Dokumentation detailreich erhellt: Der Pictorialismus.
Verringerte Konturenschärfe, zerstreute, nebelhafte Lichtführung, sorgfältige Wahl des Ausschnitts, fließende Übergänge,
Nacht- und Nebelszenen, künstlerische Sujets wie Landschaften, Porträts, Akte und eine intensive Nachbearbeitung der Abzüge, teilweise auch des Negativs vor Herstellung des Positivs halfen den Pictorialisten zu »ihrem« Abbild der Realität.
(Vgl. hierzu Pictorialismus.)
Bei meinen Aufnahmen bediente ich mich eines speziellen Okulars, einer Squeezerlens. Entwickelt wurde sie vom Hamburger Fotoenthusiasten Frank Beseler. Meine Squeezer wurde speziell auf die Pentax 650Z zugeschnitten. Diese Squeezerlens ist mit einem 4-linsigem Leitz Hektor (Lichtstärke 1:2,5, Brennweite 120 mm) versehen. Die Linse lässt sich von 60 cm bis unendlich fokussieren. Das Neigen oder »Verbiegen« des Objektivs erfolgt aus der optischen Achse heraus in jede Richtung, die Schärfe wird durch Ziehen und Quetschen (Squeezen) eingestellt.
Durch Neigen, Ziehen, Quetschen, Biegen entstehen Schärfen und Unschärfen. Das Bokeh erscheint malerisch. Es verlangt jedoch ein wenig Übung, um gewünschte Effekte wirklich auch zu erzielen. Doch Dank der Digitalfotografie kann der »Ausschuss« ja über den Papierkorb entsorgt werden.
Mit etwas Übung erhält man eine Bildsprache, die malerischen Momenten gleich kommt. Griffen zur Wende zum 20. Jahrhundert die Fotografen noch im analogen Entwicklungsprozess in die Negative ein oder retuschierten nachträglich die Positive, so ist in der digitalen Fotografie – und nicht nur bei pictorialistischen Aufnahmen – in der Regel weniger mehr. Es ist sicherlich Geschmacksache des Künstlers, farbig oder in schwarz-weiß die Aufnahmen auszuarbeiten. Ein ordentlich ausgewogenes Histogramm vorausgesetzt, geben in der Regel nur zurückhaltende »Entwicklungen« der RAW-Dateien mittels Lichtern, Tiefen, Schwarz- und Weißtönen, kleine Tonwertspreizungen und Korrekturen in den Gradationskurven den richtigen Look.
Malerisch sehen mit Squeezerlens entspannt – beim Fotografieren wie Betrachten. Nicht nur in Bad Muskau.
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